Haushaltsrede 2024 der FW-Gemeinderatsfraktion

Die Haushaltsrede der Freien Wähler Gemeinderatsfraktion können Sie hier nachlesen oder auf dem YouTube-Kanal der Stadt Vaihingen an der Enz unter folgendem Link ansehen Haushaltsrede 2024 Freie Wähler Vaihingen/Enz

Sitzung des Gemeinderates am 12.03.2024

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Skrzypek, sehr geehrter Herr Bürgermeister Reitze,
sehr geehrter Damen und Herren der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates
liebe interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wie könnte man den Haushaltsplan 2024 überschreiben? Vaihingen vor großen Herausforderungen oder wie manche meinen, Vaihingen vor dem finanziellen Kollaps. Unserer Meinung nach ganz klar mit dem ersten Halbsatz.

Ein kurzer Blick zurück. Es gab 2008 und 2015 jeweils Wirtschaft- und Finanzkrisen, die gut gemeistert wurden. Wir konnten seit der Umstellung auf das neue NKHR mit Ausnahme von 2014 jedes Jahr unsere Abschreibungen erwirtschaften, Schulden tilgen, Liquidität aufbauen sowie große Investitionen tätigen und noch 2,5 Mio. € jährlich in den Gebäudeunterhalt stecken. Warum sage ich das. Es muss uns gelingen, trotz aller unbestreitbaren Herausforderung wie die weltweiten Kriege, Klimaschutz mit seinen großen finanziellen Herausforderungen, Flüchtlingskrise, Wirtschaftskrise einen positiven Geist in dieser Stadt zu wecken.

Herr Kern hat in seinen Erläuterungen zum Haushaltsplan 2024 als ersten Punkt unseren Leitbildprozess angesprochen. Dort wurde genau das thematisiert, wie und wo sich die Gesellschaft einbringen kann und was anders gemacht werden sollte. Den eines ist klar, diese Situation meistern wir alle besser, wenn jeder/jede einzelne sein Anspruchsdenken zurücknimmt. Zu sagen: Stadt mach mal – muss in Zukunft heißen: Ich oder Wir und die Stadt machen mal! Sie werden jetzt sicher denken, was erzählt den der Zucker da. Geschichten von früher und so Gemeinschaftsdenken, es geht doch heute um die Haushaltsreden. Ja, auch ich halte heute eine Haushaltsrede. Angesichts der Umstände haben wir alle den Haushalt dieses Jahr sehr genau durchgearbeitet. Deswegen auch die verspätete Verabschiedung. Viele Fragen und Anträge wurden gestellt und beantwortet. Daher an dieser Stelle mein Dank an Herrn Kern und Frau Arndt und ihr Team, die geduldig unsere Fragen abgearbeitet haben und uns innerhalb von vier Tagen eine neue Haushaltssatzung auf den Tisch gelegt haben. Im Ergebnishaushalt reden wir von einem negativen Ergebnis von minus 7,5 Mio. € und im Finanzhaushalt von einem Minus von 6,4 Mio. €. Sehr unbefriedigende Zahlen, aber aus diesem Grund eingangs der Blick zurück. Dadurch, dass wir in den vorherigen Jahren gute Ergebnisse erwirtschaften konnten, können wir auch auf Rücklagen zurückgreifen und sind nicht gezwungen, alles eins zu eins über Kredite zu finanzieren. Um weiterhin handlungsfähig zu sein, wird es 2024 trotzdem seit langem mal wieder nötig sein, Kredite aufzunehmen. Der voraussichtliche Schuldenstand schnellt von 14 auf 29 Mio. € hoch. Ursache dafür ist unser hohes Investitionsprogramm. Ob wir dies in diesem Maße überhaupt umsetzen werden und können, habe ich so meine Zweifel.

Allein für unsere Kindergärten sind 4,34 Mio € für Bau – und Ausstattung eingeplant. Nicht eingeplant ist die Situation für die private Kita Sonnenkäfer, die dringend die Unterstützung der Stadt benötigt, zumal sie in unserem Kindergartenbedarfsplan 25/26 fest eingerechnet sind. Die Problematik mit den Kündigungen bedarf noch einer Aussprache zwischen OB und Gemeinderat.
Trotzdem meine Bitte an Sie Herr Oberbürgermeister Skrzypek, suchen Sie bitte gemeinsam mit den Eltern von Sonnenkäfer nach Lösungen.

Weitere große Ausgaben betreffen das Häckerareal: Wir als Gremium müssen uns schnell darüber klar werden, was wir dort wollen. Es gibt nun einen Siegerentwurf für den städtebaulichen Ideenentwurf.
Können wir nicht jetzt schon auf die Suche nach einem Investor oder Investoren gehen, die gemeinsam mit den Planern des Siegerentwurfes und der Verwaltung versuchen, dieses Areal für die Gartenschau im Vorfeld umzugestalten um es anschließend schnell wieder in private Hände zu bekommen.

Nachdem wir als Gemeinderat bei den fast 10 Mio. € für die neue Flüchtlingsunterkunft in der Hauffstrasse „Stop“ gesagt haben, entspannt sich zumindest kurzfristig die finanzielle Situation etwas. Wir müssen dieses Gebäude deutlich günstiger bauen. Gerade dieser Fall hat uns deutlich vor Augen geführt, da lief was richtig schief. Man muss 170 Tsd. € an ein Planungsbüro für die europaweite Ausschreibung bezahlen und bekommt dann als Ergebnis ein Angebot zu deutlich überhöhten Kosten. Hier stimmt das System nicht. Wir müssen ein Augenmerk darauf haben, dass Baumaßnahmen wieder einfacher und günstiger durchgeführt werden. Genauso wenig wird es uns gelingen, all unsere 180 Gebäude zu sanieren. Wir werden es wohl wie die schwäbische Hausfrau machen müssen: Mit dem Geld was wir haben, machen wir das Nötigste.

Das schwierige Thema Schulentwicklung wird im Haushaltsplan mit Planungskosten bedacht, aber ohne Investitionen mit Ausnahme der Wilhelm-Feil-Schule. Schulentwicklungsplanung Campus Innenstadt muss dringend vorangetrieben werden, die Schlossbergschule platzt aus allen Nähten unter teilweise unzumutbaren Verhältnissen. In Aurich hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Aus Furcht, dass die Schule geschlossen wird, haben sich engagierte Eltern und der Ortschaftsrat auf den Weg gemacht, Lösungen zu erarbeiten. In der Hoffnung, dass die Gespräche zwischen Verwaltung und Initiatoren zu einem guten Ergebnis führen, und wir die Schule weiterführen können. Aber auch hier meine Frage, brauche wir 200 Tsd. € Planungskosten?

Die Problematik Mehrzweckhalle Riet habe ich letztes Jahr schon angesprochen. Es hat sich jetzt auch in Riet eine Interessensgemeinschaft „Zukunft Riet“ gebildet, die solche Identifikation bildende Einrichtungen wie Halle, Feuerwehr, Rathaus, Schule und Kindergarten erhalten will. Letztes Jahr genauso wie heute mein Wunsch, das Gespräch mit der Verwaltung, mit dem Ortschaftrat und dem Gemeinderat zu suchen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Diese Infrastrukturproblematik betrifft alle kleineren Stadtteile, sie dürfen nicht das Gefühl bekommen, abgehängt zu werden.

Beim WEG-Radwegeverlängerung nach Kleinglattbach und Enzweihingen drängen wir auf zügige Umsetzung, solange es noch eine neunzigprozentige Förderung gibt.

Das Thema Enztalbad muss angesichts der derzeitigen Situation angesprochen werden. Wie wir inzwischen wissen, allerdings ohne das aktuelle Gutachten genau zu kennen (was so eigentlich nicht geht), stehen wohl Investitionen von 10-15 Mio. € an. Was gemacht werden muss/sollte steht dann hoffentlich im Gutachten. Auch hier werden die Bürger und betroffene Vereine aktiv. Durch die Gründung eines Fördervereins und der daraus ablesbaren Bereitschaft Mitglied zu werden, wird erkennbar sein, wie wichtig den Vaihinger Bürger ihr Bad wirklich ist. Sollte die Teilnahme bescheiden ausfallen, wäre dies das negative Signal. Wir hoffen, dass viele diesem Förderverein beitreten, um damit zum einen das Zeichen setzen, „Ja, wir wollen unser Hallen- und Freibad und sind auch bereit, uns dafür finanziell und praktisch einzubringen“.

Es stehen noch zahlreiche Investitionen im Haushaltsplan an, die zwar ebenfalls wichtig sind, jedoch aus zeitlichen Gründen nicht ausführlich angesprochen werden können.

In Zeiten, in denen die finanziellen Mitteln knapp sind, sind wir mehr denn je angehalten nach pragmatischen Lösungen zu suchen und gute, zielführende Entscheidungen zwischen den Extremen „ganz oder gar nicht“ herbeizuführen.

Ein weiteres strittiges Thema ist der Stellenplan, der uns gar nicht gefallen hat. Steigende Personalkosten um fast 4 Mio. € ist zum einen dem Tarifabschluss und dem weiterhin benötigten vermehrten Personalaufwand im Kita-Bereich geschuldet. Diese Notwendigkeit stellt niemand in Frage
Wir haben aber kein Verständnis, für 20 neue Stellen innerhalb der Kernverwaltung, und dies in Zeiten knapper Kassen. Von daher hat es uns gefreut, dass unser Freier Wähler Antrag, einige dieser neuen Stellen unter einen Sperrvermerk zu stellen, angenommen wurde. Sperrvermerk bedeutet, jede einzelne Stelle muss nochmals im Ausschuss beantragt und begründet werden. Es gibt keine pauschale Zusage diese Stellen zu besetzen. Viel mehr erwarten wir von der Verwaltung eine schlüssige Darlegung, warum weitere Stellen nötig sind, und erbitten eine Erläuterung welcher Mehrwert durch die konkreten Stellen erwartet wird.

Ein wichtiges Thema ist und bleibt die Gartenschau, auch wenn wir erst definitiv im April darüber abstimmen. Ja, die Freien Wähler stehen zur Gartenschau. Sie ermöglicht neue Fördertöpfe für die Stadtentwicklung, sie kann und wird Vaihingen/Enz nachhaltig positiv verändern. Die Gartenschau darf nicht zum Spielball zwischen Infrastrukturproblemen in den Stadtteilen und der Kernstadt werden.
Stattdessen kann und muss die Gartenschau das Gemeinschaftsgefühl der Kernstadt mit seinen acht Stadtteilen stärken. Dafür muss auch in den Stadtteilen sichtbare positive Veränderungen mit Bezug zur Gartenschau geschaffen werden. Natürlich wird der Betriebswirt fragen, wo der finanzielle Vorteil für die Stadtkasse ist. Das wird sich nur schwer in Heller und Pfennig berechnen lassen. Zuerst einmal müssen wir in Vorleistung gehen. Aber ich bin überzeugt, dass wenn alle an einem Strang ziehen, wir eine großartige Gartenschau hinbekommen, mit einer langen Wirkung über das Gartenschaujahr hinaus.
Manches besitzt einen höheren Wert als nur den rein finanziellen Aspekt. Ich habe keine Bedenken, dass wir das Schaffen, vorausgesetzt, wir finden für das Häckerareal eine gute Lösung, wie vorher schon erwähnt.

Noch einige Worte zum städtischen Versorgungsbetrieb: Mit dem letzten Wassergebührenbescheid hat jeder Mitbürger gespürt, was auf uns zukommt. Bei Umsetzung unserer Eigenwasserkonzeption und Versorgungssicherheit werden weitere Belastungen auf uns zukommen. Auch die Bodenseewasserversorgung hat aufgrund ihrer großen Baumaßnahmen zur Sicherung der Versorgung weitere Kostensteigerungen angekündigt. Im Wasser- und Abwasserbereich dürfen laut Satzung bisher keine Gewinne machen, das bedeutet, dass unser Schuldenstand ständig steigt. Abhilfe könnte eine Satzungsänderung bringen, um auch gewinnorientiert zu arbeiten und Überschüsse zur Tilgung zu verwenden. Dies hätte aber eine noch höhere Belastung des Verbrauchers zur Folge. Aber wir werden und müssen uns mit diesem Thema beschäftigen und abwägen. Auch sinkende Einnahmen aus der Netzgesellschaft infolge der Regulierung belasten den Versorgungsbetrieb zusätzlich. Auch dieses Gesamtgebilde Eigenbetrieb Wasserversorgung, Parkierung und Netzgesellschaft müssen wir genau anschauen und nach Lösungen suchen. Jetzt einfach ein Stadtwerk gründen, wie von manchen verlangt, ist in der derzeitigen Situation keine Lösung. Aktionismus wäre da fehl am Platz.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen:
Die Herausforderungen 2024 und in den folgenden Jahren sind groß, da es so viele Unbekannte wie schon lange nicht mehr gibt. Viele Themen, die die Stadt beschäftigen sind komplex. Schnelle, einfache Lösungen, mit denen alle glücklich sind, sind leider nicht immer möglich. Deshalb müssen wir gemeinsam abwägen, beurteilen und demokratisch getroffene Entscheidungen respektieren. Wir Freien Wähler stimmen der Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2024 sowie dem geänderten Stellenplan mit Sperrvermerken, sowie der Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2024 des städtischen Versorgungsbetriebes zu.

Eberhard Zucker, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler

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